Hintergrundwissen zur Leber

Labordiagnostik der Fettleber: Neue Nomenklatur und Screening-Empfehlungen im Fokus

Fettlebererkrankungen gehören infolge globaler Lebensstilveränderungen zu den häufigsten chronischen Lebererkrankungen, mit einer weltweiten Prävalenz von etwa 25 %. Prognosen für das Jahr 2030 gehen von einem weiteren Anstieg der Fallzahlen aus . Die Erkrankungen sind eng mit metabolischen Risikofaktoren wie Adipositas, Typ-2-Diabetes und Insulinresistenz assoziiert . Diese Zusammenhänge werden durch die Einführung einer neuen Nomenklatur betont, die die zugrunde liegende metabolische Dysfunktion klarer hervorhebt.

In der diagnostischen Praxis gewinnen einfache und effektive Instrumente wie der Fibrosis-4-Score (FIB-4) zunehmend an Bedeutung, da sie eine gezielte Identifikation von Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenen Leberschäden ermöglichen. Gleichzeitig ist eine differenzierte Abgrenzung von anderen Lebererkrankungen, wie viralen Hepatitiden oder autoimmunvermittelten Lebererkrankungen, unerlässlich, um eine zielgerichtete Therapie einzuleiten.

Neue Nomenklatur der Fettlebererkrankungen: Präzisere Klassifikation  

Die steatotische Lebererkrankung (SLD) als Oberbegriff umfasst eine Gruppe von Krankheitsbildern, bei denen es aufgrund unterschiedlicher Ursachen zu einer vermehrten Einlagerung von Fett in die Leber kommt. Ein zentraler Subtyp ist die metabolische Dysfunktion-assoziierte steatotische Lebererkrankung (MASLD), die primär durch metabolische Faktoren wie Adipositas, Insulinresistenz, Hyperlipidämie und Hypertonie ausgelöst wird. MASLD wurde bis 2023 als nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) bezeichnet.

Eine neue wertfreie Terminologie vermeidet den Begriff "nicht-alkoholisch" und fokussiert stärker auf die zugrundeliegende metabolische Dysfunktion, was die pathophysiologische Basis besser widerspiegelt. Darüber hinaus wurden zwei neue Kategorien eingeführt: MetALD für eine Fettleber, die durch eine Kombination von metabolischen und Alkohol-bedingten Ursachen entsteht, sowie cryptogenic SLD für Fälle ohne bekannte Ursache. 
Progredient kann sich aus MASLD die metabolische Dysfunktion-assoziierte Steatohepatitis (MASH) entwickeln (früher: NASH). Bei MASH kommt es zusätzlich zu einer entzündlichen Reaktion und Leberzellschädigung, die langfristig zu Fibrose, Zirrhose und einem erhöhten Risiko für hepatozelluläres Karzinom (HCC) führen kann. Für Deutschland wird die Prävalenz der MASH auf 4,1 % geschätzt, mit einem zu erwartenden Anstieg auf 6% im Jahr 2030. 

Screening-Untersuchungen: Allgemeinbevölkerung vs. Risikopopulationen

Die Prävalenz der MASLD ist weltweit hoch, insbesondere in Verbindung mit metabolischen Risikofaktoren wie Diabetes mellitus Typ 2, Adipositas und metabolischem Syndrom. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Screening-Untersuchungen in der Allgemeinbevölkerung sinnvoll sind oder sich gezielt auf Risikopopulationen beschränken sollten. Die S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) empfiehlt kein generelles Screening auf MASLD/MASH in der Allgemeinbevölkerung. Gründe hierfür sind die eingeschränkte Kosteneffektivität und das geringe Risiko für schwere Lebererkrankungen bei Menschen ohne metabolische Risikofaktoren. Für Risikopopulationen wird hingegen ein gezieltes Screening empfohlen. Diese Gruppen weisen ein höheres Risiko auf, MASLD und/oder MASH zu entwickeln. Hier ist eine frühzeitige Diagnose essenziell, da die Identifikation von Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Fibrose prognostische und therapeutische Konsequenzen hat.

Fibrosis-4-Score (FIB-4): Ein wertvolles, nicht-invasives Screening-Instrument  

Ein zentraler Ansatz in der Diagnostik der Fettlebererkrankung ist der FIB-4-Score, der auf einfach zugänglichen Laborparametern (Alter, AST, ALT, Thrombozytenzahl) basiert. Als ressourcenschonendes und nicht-invasives Instrument zur Risikoabschätzung eignet sich der FIB-4-Score insbesondere für den flächendeckenden Einsatz im primärärztlichen Bereich. Nationale und internationale Leitlinien empfehlen seine Anwendung sowohl im Rahmen der initialen Diagnostik bei MASLD als auch für die regelmäßige Verlaufskontrolle.

Der FIB-4-Score besitzt neben seiner diagnostischen Relevanz einen signifikanten prognostischen Nutzen im Rahmen der Risikostratifizierung. Die sequenzielle Messung ermöglicht eine differenzierte Einschätzung des Risikos für leberbezogene Ereignisse, kardiovaskuläre Komplikationen und die Gesamtmortalität. Hohe FIB-4-Werte sind hierbei mit einem erhöhten Risiko für nachfolgende Ereignisse assoziiert. Ein Anstieg oder Abfall des FIB-4-Scores über 12 Monate korreliert mit einem höheren bzw. niedrigeren Risiko für klinische Ereignisse, was das Potenzial des FIB-4-Scores als dynamischer Überwachungsmarker in der Routineversorgung unterstreicht.

Differenzialdiagnostik und weiterführende Labordiagnostik  

Neben der Basisdiagnostik (u. a. AST, ALT, γ-GT, Albumin, Bilirubin) ist bei atypischen Laborkonstellationen oder -verläufen die Abklärung alternativer Ursachen einer Lebererkrankung essenziell, da erhöhte Leberparameter nicht immer auf eine Fettleber zurückzuführen sind. Hierbei sollten insbesondere virale Hepatitiden (Hepatitis B und C), autoimmunvermittelte Lebererkrankungen (z. B. Autoimmunhepatitis), cholestatische Lebererkrankungen, Hämochromatose-assoziierte Lebererkrankungen sowie medikamentös-toxische Ursachen berücksichtigt werden. Zudem ist die Differenzierung möglicher extrahepatischer Ursachen erforderlich.    
Spezifische Laboruntersuchungen wie HBsAg (Hepatitis-Serologie), Anti-HCV, Ferritin, Transferrinsättigung, Alpha-1-Antitrypsin (AAT), Autoantikörper (z. B. ANA) oder Parameter des Kupferstoffwechsels (z. B. Coeruloplasmin) sind hilfreich, um potenzielle Ursachen zu identifizieren. Diese erweiterten Analysen tragen wesentlich zur präzisen Differenzialdiagnose und zur Auswahl einer geeigneten Therapie bei. Hierfür sollte ein multidisziplinärer Ansatz mit Anbindung/Überweisung an Gastroenterologen, Hepatologen oder Diabetologen gewählt werden.

Fazit

Die neue Nomenklatur für Fettlebererkrankungen, einschließlich MASLD und MASH, unterstreicht die zentrale Rolle metabolischer Dysfunktionen in der Krankheitsentstehung und ermöglicht eine klarere Abgrenzung zu anderen Ursachen. Diese präzisere Klassifikation fördert eine gezieltere Diagnostik und Therapie. Nicht-invasive Instrumente wie der FIB-4-Score spielen dabei eine zentrale Rolle. Als ressourcenschonendes Tool eignet er sich für den breiten Einsatz in der Primärversorgung und liefert sowohl diagnostische als auch prognostische Informationen. Leitlinien empfehlen ein Screening auf MASLD/MASH ausschließlich für Populationen mit metabolischen Risikofaktoren, da ein allgemeines Screening aufgrund der geringen Prävalenz fortgeschrittener Erkrankungen bei Personen ohne metabolische Risikofaktoren nicht effektiv ist. Gleichzeitig bleibt eine differenzialdiagnostische Abklärung unerlässlich, insbesondere bei atypischen Laborverläufen, um alternative Ursachen wie virale Hepatitiden, Autoimmun- oder cholestatische Lebererkrankungen auszuschließen. Insgesamt betont die neue Nomenklatur in Kombination mit modernen diagnostischen Instrumenten die Bedeutung eines strukturierten und differenzierten Ansatzes in der Diagnostik und Behandlung von Fettlebererkrankungen.   


Referenzen

  1. Younossi Z et al. Global Perspectives on Nonalcoholic Fatty Liver Disease and Nonalcoholic Steatohepatitis. Hepatology. 2019 Jun;69(6):2672-2682. zuletzt abgerufen am 13.01.2025
  2. Aktualisierte S2k-Leitlinie nicht-alkoholische Fettlebererkrankung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). April 2022.  zuletzt abgerufen am 09.01.2025
  3. Roeb E et al. Amendment „Neue Nomenklatur zur MASLD (Metabolic Dysfunction Associated Steatotic Liver Disease; metabolische Dysfunktion assoziierte steatotische Lebererkrankung)“ zur S2k-Leitlinie „Nicht-alkoholische Fettlebererkrankung“ (v.2.0 / April 2022) der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). März 2024. zuletzt abgerufen am 08.01.2025
  4. Estes C et al. Modeling NAFLD disease burden in China, France, Germany, Italy, Japan, Spain, United Kingdom, and United States for the period 2016-2030. J Hepatol. 2018 Oct;69(4):896-904. zuletzt abgerufen am 13.01.2025
  5. Rinella ME et al. AASLD Practice Guidance on the clinical assessment and management of nonalcoholic fatty liver disease. Hepatology. 2023 May 1;77(5):1797-1835. zuletzt abgerufen am 10.01.2025
  6. European Association for the Study of the Liver (EASL) Clinical Practice Guidelines on non-invasive tests for evaluation of liver disease severity and prognosis - 2021 update. J Hepatol. 2021 Sep;75(3):659-689. zuletzt abgerufen am 09.01.2025
  7. Anstee QM et al. Prognostic utility of Fibrosis-4 Index for risk of subsequent liver and cardiovascular events, and all-cause mortality in individuals with obesity and/or type 2 diabetes: a longitudinal cohort study. Lancet Reg Health Eur. 2023 Dec 19;36:100780. zuletzt abgerufen am 10.01.2025

Ihr Ansprechpartner

Dr. Martin Hampel
news@limbachgruppe.com

 

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