Die Digitalisierung wird in Zukunft in vielen Arztpraxen Einzug halten – dabei wirkt die Corona-Pandemie wie ein Brandbeschleuniger. Laut einer Meldung des Branchenverbandes Bitkom ist die Nutzung von Videosprechstunden im Zusammenhang mit der aktuellen Situation nachweislich gestiegen und die Nachfrage auf Seiten von Patienten, Ärzten und Psychotherapeuten ist höher denn je.
Viele Mediziner folgen damit zwar den aktuellen Empfehlungen der Gesundheitsbehörden zur Entlastung des Gesundheitssystems und ermöglichen so eine digitale Versorgung ohne Ansteckungsgefahr. Doch Online-Sprechstunden und Telemedizin bieten Ihnen auch generell zahlreiche Vorteile: Sie können damit nicht nur Ihr Praxisteam entlasten, sondern erhalten auch ein enormes Zeitsparpotenzial bei der Behandlung Ihrer Patienten. Durch das innovative Angebot besitzen Sie zudem einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Arztpraxen. Nicht zu vergessen ist auch ein möglicher Reputationsgewinn durch die Erhöhung der Patientenzufriedenheit.
Auf der anderen Seite ist der Arzt für Patienten einfacher erreichbar und kann aus der Ferne eine unkomplizierte und kompetente Ersteinschätzung des Problems liefern. Dank telemedizinischen Angeboten zur Fernbehandlung sparen sich Ihre Patienten zudem lange Anfahrten und vermeiden langes Warten im Wartezimmer.
Zum 1. April 2020 wurden außerdem die bisher geltenden Beschränkungen für virtuelle Angebote wie eine Videosprechstunde gelockert. Ärzte dürfen nun unbegrenzt viele Patienten digital behandeln. Voraussetzung ist, dass die Anwendungen bestimmte technische und datenschutzrechtliche Kriterien erfüllen und von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zertifiziert sind.
Ihre Praxis muss vor dem Einsatz von Telemedizin außerdem ein Prüfverfahren durchlaufen, damit Sie Ihre Leistungen bei den Krankenkassen abrechnen können. In einigen Bundesländern wird dieses Prüfverfahren jedoch aufgrund der Corona-Pandemie vorübergehend ausgesetzt; Praxen können dann auch ohne dieses abrechnen. Ob das bei Ihnen auch der Fall ist, erfahren Sie bei Ihrer zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung.
Anforderungen an Technik und Datenschutz
Doch welches sind die technischen Voraussetzungen für eine digitale Beratung? Diese Frage können wir Ihnen ganz einfach beantworten. Für die Durchführung einer Online-Sprechstunde benötigen Arzt und Patient lediglich ein Smartphone, ein Tablet oder einen Computer mit Kamera, Mikrofon und Lautsprecher sowie eine Internetverbindung. Eine zusätzliche Software brauchen sie nicht. Zu dem Termin kann sich Ihr Patient dann einfach über einen Einwahlcode beim Videodienstanbieter Ihrer Wahl anmelden.
Dieser muss zertifiziert sein und darüber hinaus eine Selbstauskunft bei der KBV und beim GKV-Spitzenverband eingereicht haben. Ihre Praxis erhält von ihrem Wunschanbieter nach Vertragsschluss eine Bescheinigung, dass der Videodienst gemäß Anlage 31b zur IT-Sicherheit und zum Datenschutz zertifiziert ist und außerdem die Anforderungen zu den Inhalten erfüllt.
Der Videodienstanbieter muss zudem sicherstellen, dass die Online-Sprechstunde während der gesamten Übertragung Ende-zu-Ende verschlüsselt ist. Möglicherweise ist es für Sie außerdem noch wichtig, dass die Daten auf einem Server am Standort Deutschland gespeichert werden.
Auswahl an zertifizierten Anbietern
Im medizinischen Bereich stehen eine Reihe digitaler Lösungen zur Verfügung, die Sie für eine Online-Videosprechstunde nutzen können. Wir stellen Ihnen hier eine kleine Auswahl vor.
TeleClinic ist eigenen Angaben zufolge Deutschlands Telemedizin Plattform Nummer eins. Die Videosprechstunde bietet attraktive Zuschläge für GKV-Versicherte. Über die extrabudgetäre KV-Förderung können pro Behandlung bis zu 66 Euro abgerechnet werden. Kosten für TeleClinic entstehen außerdem nur bei erfolgten Behandlungen. Diese liegen in der Regel zwischen zehn und 15 Euro. Die ersten 30 Tage nach der Registrierung sind kostenfrei.
Patientus bietet neben der Videosprechstunde auch eine Vielzahl weiterer Funktionen. Dazu zählen beispielsweise ein eigenes Arztprofil in der Arztsuche, eine Online-Terminvergabe und -buchung sowie eine Online-Bezahlfunktion für Arzttermine. Außerdem ist mit der Lösung das gemeinsame Betrachten von medizinischem Bildmaterial möglich, ebenso wie der Austausch medizinischer Daten wie zum Beispiel Laborberichte.
Der zertifizierte Videodienst-Anbieter HomeDok ist auf ausgewählte Therapiegebiete spezialisiert wie Frauenheilkunde, Sexualmedizin, Reproduktionsmedizin, Präventionsmedizin und Psychotherapie. Die Lösung bietet neben unlimitierter Videosprechstunden auch ein Praxisprofil, einen Online-Terminkalender sowie eine Doku-Funktion und eine Facharzt-Bibliothek.
Dringend abzuraten ist von der Nutzung der gängigen Videokonferenzsysteme wie beispielsweise Microsoft Teams, Skype oder Zoom. Diese und weitere Lösungen führender Anbieter sind nicht nur einem Kurztest der Berliner Datenschutzbeauftragten Maja Smoltczyk durchgefallen, da sie die datenschutzrechtlichen Anforderungen nicht erfüllen. Sie sind auch für Arztpraxen ungeeignet, da sich damit keine Leistungen abrechnen lassen.
Abrechnung mit der Krankenkasse
Ihre Praxis kann Leistungen im Rahmen der Videosprechstunde erst dann abrechnen, wenn sie Ihrer Kassenärztlichen Vereinigung zuvor angezeigt haben, dass Sie einen zertifizierten Videodienstanbieter nutzen. Einige KV-Regionen machen hier aufgrund der Corona-Pandemie wieder Ausnahmen. Am besten informieren Sie sich vor dem Einsatz von Telemedizin bei Ihrer zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung darüber, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen.
Aktuell haben auch zahlreiche private Krankenversicherungen das telemedizinische Angebot für ihre Kunden ausgebaut. Ob eine Videosprechstunde privatärztlich abgerechnet werden kann, sollten Privatversicherte mit ihrer Krankenversicherung vorab klären.
Da der Patient nicht vor Ort ist, können Sie natürlich nicht seine Versichertenkarten einlesen. Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten. War der Patient bisher noch nicht in Ihrer Praxis, muss er seine elektronische Gesundheitskarte in die Kamera halten, damit Sie seine Daten erheben und seine Identität prüfen können. Kennen Sie die Person bereits, übernehmen Sie die Versichertendaten einfach aus Ihrer Patientendatei.
Gut zu wissen: Seit dem 1. Oktober 2019 unterstützen die gesetzlichen Krankenkassen Ärzte, die Videosprechstunden durchführen, übrigens mit einer Anschubfinanzierung von maximal 500 Euro pro Praxis und Quartal. Die Fördermöglichkeit gilt für zwei Jahre.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Online-Sprechstunde sowohl für Ärzte als auch für Patienten zahlreiche Voreile bietet. Noch dazu ist die Einführung von Telemedizin recht simpel, ebenso wie die Abrechnung mit der Krankenkasse. Bei den technischen Anbietern sollten Sie nicht auf die bekannten Videokonferenzsysteme, sondern auf digitale Lösungen für den medizinischen Bereich setzen. Dann sind sie datenschutztechnisch auf der sicheren Seite.